Rudolf Schönwald: Ringer, 1953

Öl auf Sperrholz, 221 x 145 cm
Ankauf 2024 durch den Verein der FREUNDE für das JMW

Rudolf Schönwald (1928–2022) hat ein reiches Oeuvre an Grafiken und Zeichnungen hinterlassen. Sein von den FREUNDEN angekaufte frühes und monumentales Ölgemälde „Ringer“ von 1953 sticht innerhalb seines gesamten Schaffens besonders hervor. Es markiert die eigen- und widerständige Kunstauffassung von Schönwald zu einer Zeit, als Kunstakademien und Kunstmarkt die Abstraktion und das gestische Informell propagierten. Doch Kunst, die nicht die gesellschaftliche Realität abbildet, wäre Schönwald sinnlos erschienen.

Rudolf Schönwald ist eine bemerkenswerte und zu Unrecht kaum beachtete und dabei wichtige Figur der Wiener Kulturszene der Nachkriegszeit. Er studierte ab 1948 an der Wiener Akademie der Bildenden Künste bei Joseph Dobrowsky und Christian Ludwig Martin. Er zählte somit zu einer Generation, die versuchte neue Wege im grauen, noch kriegsgebeutelten Österreich zu gehen, in dem nun wieder viele Charaktere des „Ständestaates“ – darunter etliche mit inzwischen nationalsozialistischem Hintergrund – in Machtpositionen kamen.

Rudolf Schönwald hatte über seinen Vater und seine Mutter jüdische Familienwurzeln – einer seiner Großväter war der Sozialökonom Otto Pringsheim, ein Verwandter von Katia Mann, Ehefrau des Literaturnobelpreisträgers Thomas Mann. Nach 1938 und dem sogenannten Anschluß an NS-Deutschland wird diese jüdische Herkunft für Schönwald zum Risiko und er gerät in den Fokus der NS-Verfolgung. Im gelingt die Flucht und gemeinsam mit seinem ein Jahr jüngeren Bruder Peter (1929-2011) überlebte er mit Glück und Not in verschiedenen ungarischen Lagern und schließlich als U-Boot in Budapest. Sein Vater hatte sich bereits nach dem Einmarsch Hitlers in Polen das Leben genommen, seine Mutter überlebte Auschwitz.

Die Nachkriegszeit in Wien war für Rudolf Schönwald der Beginn eines selbstbestimmten Lebens, in dem er allerdings noch vielfach mit den Nachwirkungen von Verfolgung und den Mängeln jener Zeit zu kämpfen hatte. Sein künstlerisches Werk ist stark von seinen Erlebnissen der Kriegs- und Nachkriegszeit geprägt. Er verstand sich stets als politischer Künstler und ging deswegen nicht den ihm von Fritz Wotruba empfohlenen Weg der Abstraktion.

Gemeinsam mit Alfred Hrdlicka, Georg Eisler und Fritz Martinz ist Schönwald ein wichtiger Vertreter der österreichischen Kulturszene der Nachkriegszeit, der mit einem kritischen Realismus die damaligen Verhältnisse offenlegte. Er hat vor allem auf den Gebieten der Grafik und Zeichnung ein reiches Oeuvre hinterlassen, in dem er sich unterschiedlichen Ausdrucksformen und immer wieder der Satire widmete.

Ein großer Bestandteil sind außerdem Literaturillustrationen oder Bühnenbilder fürs Theater. Witz und Fantasie prägen seine Arbeiten, darunter seine Comic-Strip-Serie „GOKS“ für das Neue Forum, die er gemeinsam mit seiner Frau Gilly Hillmayr schrieb. Es ist die Geschichte eines skurrilen Monsters, das in gewissen Kreisen einen Kultstatus erreichte. Seine literarisch-satirische Aufarbeitung des „Königs Ubu“ (Alfred Jarry, 1895) hat ihm 1971 den Österreichischen Staatspreis für Grafik eingebracht. Diese Serien sind ebenso wie seine „Wiener Bilderbögen“ aus kunsthistorischer wie aus zeitgeschichtlicher Sicht von großem Interesse.

Rudolf Schönwald war stets ein Unangepasster, was sich einerseits in seiner Themenwahl niederschlug und andererseits dadurch deutlich wird, dass er es lange Zeit ablehnte sich wie seine Kollegen institutionell zu verankern oder sich Förderern anzudienen. Somit ist er heute nur mehr einem ausgewählten Kreis ein Begriff. Sein Werk und seine Biographie gilt es neu zu entdecken. Seine Arbeiten sind bereits in zahlreichen Wiener und internationalen Sammlungen verzeichnet, darunter: Wien Museum; Albertina, Wien, Rupertinum, Salzburg; Library of Congress, Washington und nun auch im Jüdischen Museum Wien.

Das lebensgroße Gemälde „Ringer“ entsteht 1953 in Wien und zeigt Peter (1929-2011), den jüngeren Bruder von Rudolf Schönwald im Alter von 24 Jahren beim Training am Wiener Heumarkt. Damit verweist das Gemälde in einer inhaltlichen Verschränkung genauso auf den kämpferischen Neubeginn der Schönwald-Brüder nach dem Überleben der NS-Verfolgung wie auch ganz konkret auf das als Heumarkt-Catchen bezeichnete Unterhaltungsphänomen, das sich in der Nachkriegszeit in Wien etablierte. Es handelte sich dabei um mehrwöchige Turniere von Berufsringern, die in den Sommermonaten auf dem Areal des Wiener Eislauf-Vereins ausgerichtet wurden. Die Kämpfe hatten in einer Mischung aus Sport, Akrobatik und Elementen der Komik vor allem das Ziel, die Zuschauer in einer Zeit ohne Fernsehen und Online-Medien zu belustigen und wurden bald zu einer Attraktion in Wien, die die Massen begeisterte. Wenn von Juni bis August die internationale Ringer-Elite in Wien gastierte, herrschte Volksfeststimmung am Heumarkt. Rund 40 bis 60 Kampfabende wurden pro Sommer veranstaltet, die täglich von bis zu 15.000 Menschen verfolgt wurden.