Sargdecke für Theodor Herzl, 1949

Entwurf: Oskar Strnad 1936, Replik 2020
Ankauf 2020 durch den Verein der FREUNDE für das JMW

Diese Sargdecke erzählt eine packende Geschichte, die von Wien-Döbling bis zum Herzl-Berg in Jerusalem und der Staatswerdung von Israel führt. Theodor Herzl (1860 Budapest – 1904 Edlach an der Rax) veröffentlicht 1896 seine programmatische Schrift Der Judenstaat, mit der er ein wichtiges Fundament für den politischen Zionismus legt und die Rückkehr der jüdischen Nation in ihr historisches Vaterland nach Zion, nach Israel, nach Palästina propagiert.

Herzl spricht verschiedenste Aspekte eines jüdischen Staates an. So schlägt er etwa eine weiße Staatsfahne mit sieben goldenen Sternen vor, die die sieben Arbeitsstunden repräsentieren sollen: Denn im Zeichen der Arbeit gehen die Juden in das neue Land. Die Verwirklichung seiner Vision erlebt Herzl nicht. 1904 stirbt er im Alter von nur 44 Jahren in Edlach bei Reichenau an einem Herzversagen. Beigesetzt wird er unter riesiger Anteilnahme auf dem Döblinger Friedhof in Wien.

44 Jahre nach Herzls Tod hängt in Tel Aviv sein Portrait. Unter ihm steht 1948 der künftige erste israelische Ministerpräsident David Ben-Gurion und verkündet kraft des natürlichen und historischen Rechts des jüdischen Volkes und aufgrund des Beschlusses der UNO-Vollversammlung die Errichtung des Staates Israel. Das erste israelische Parlament verpflichtet am 10. August 1949 die Regierung per Gesetz, Herzls Überreste von Wien nach Jerusalem zu überführen. Wenige Tage später beginnt die letzte Reise von Herzl und die Überführung seiner Gebeine.

Österreich ist seit 1945 von den vier alliierten Siegermächten in Besatzungszonen aufgeteilt: Niederösterreich steht unter russischer Verwaltung; Wien ist in vier Besatzungszonen und den gemeinsam verwalteten Ersten Bezirk aufgeteilt. Der Friedhof von Döbling liegt in der US-amerikanischen Zone. Im August 1949 wird der Herzl-Sarg nach seiner Exhumierung und einer kurzen Aufbahrung im Wiener Stadttempel mitten durch die russische Zone auf einem gesicherten Korridor zum 30 Kilometer von Wien entfernten amerikanischen Flugplatz in Tulln-Langenlebarn gebracht. Hier landet am Abend des 15. August 1949 der erste Österreichflug der jungen israelischen Luftfahrtgesellschaft EL AL mit einer Maschine vom Typ Douglas DC-4, die den programmatischen Namen von Herzl trägt.

Mit an Bord befindet sich eine ganz besondere Sargdecke, die bereits 1936 in Wien nach einem Entwurf des jüdischen Architekten Oskar Strnad für die bereits damals geplante Überführung des Herzl-Sarges nach Israel gefertigt wurde. Noch vor dem sogenannten Anschluss von Österreich an NS-Deutschland hat diese Sargdecke ihren Weg nach Israel gefunden und kehrt jetzt 1949 kurz nach Österreich zurück, um den Herzl-Sarg nach Israel zu begleiten. Aufgestickt sind die bereits erwähnten sieben Sterne, der Davidstern samt u.a. der Vers:

Deshalb tritt als Prophet auf und sage zu ihnen: So spricht Gott, der Herr: Ich öffne eure Gräber und hole euch, mein Volk, aus euren Gräbern herauf. Ich bringe euch zurück in das Land Israel (Ezechiel 37,12).

Die erneute Beisetzung der Überreste von Theodor Herzl am 16. August 1949 am Herzl-Berg in Jerusalem wird zum Staatsakt der jungen Nation.

Erst 2019 wird die lange Jahre verschollene Herzl-Sargdecke wiederentdeckt. 2020 finanzieren die FREUNDE die Herstellung dieser originalgetreuen, aufwändigen Replik für das Jüdische Museum Wien.