ZWIEBACK-SCHÜRZE einer Geschirrzofe, 1920

Textil, 80 x 51 cm
2017 Ankauf und Restaurierung durch den Verein der FREUNDE für das JMW

Das auf den ersten Blick unscheinbare Objekt erinnert an eines der mondänsten jüdischen Kaufhäusern Wiens vor 1938: Die Maison Zwieback in der Kärntner Straße Ecke Weihburggasse. Für die Kunden gab es hier in an Mode und Lifestyle nur das Beste und Neueste „à la parisienne“. Mit Friedrich Ohmann engagierte die Familie Zwieback 1912 einen der renommiertesten Architekten der Zeit für den Umbau des bereits 1877 gegründeten Warenhauses. Angeschlossen war ein Café, das Ohmann in derselben Mischung von Neobarock und Jugendstil entwarf, wie bei dem zuvor nach Ohmanns Plänen errichteten Palmenhaus im Burggarten.

Doch was oder wen kann man sich heute unter einer Geschirrzofe vorstellen? Als Zofe, Kammerzofe oder Kammerjungfer wird seit dem 17. Jahrhundert eine in den Diensten einer hochgestellten, meist adeligen Herrschaft stehende Dame bezeichnet. Das aufstrebende Bürgertum übernimmt ab dem 19. Jahrhundert dieses aristokratische Beschäftigungsmodell. Zofen beziehungsweise Dienstmädchen gehörten zum typischen, vorwiegend weiblichen Dienstpersonal in gut situierten bürgerlichen Haushalten. Die Beschäftigung männlicher Dienstboten war auf großbürgerliche und adelige Haushalte beschränkt, da diese einen höheren Lohn erhielten.

Der Beruf einer „Geschirrzofe“ in einem Warenhaus spiegelt also tradierte und gesellschaftlich akzeptierte ausgeprägte Standes-, Rollen- und Einkommensunterschiede. „Ein Paradies der Damen“ verkörperte die Maison Zwieback sicher für die wohlhabenden Kundinnen. Doch welche Rolle, welches Einkommen und welche Aufstiegsmöglichkeiten hatten jenen Geschirrzofen, die im Caféhaus der Maison Zwieback das Geschirr abräumten?

Schließlich erinnert die Zwieback-Schürze einer Geschirrzofe weit über diese soziologischen Überlegungen hinaus vor allem an zahlreiche untergegangene und nach 1938 enteignete jüdische Kaufhäuser in Wien – neben Zwieback etwa an Gerngroß in der Mariahilfer Straße oder an Rothberger vis-à-vis des Stephansdoms – oder allgemeiner an den Zauber und Glanz der Kaufhauspaläste um 1900, als elektrische Beleuchtung, Rolltreppen, Festpreise und zwangloses Flanieren zwischen einem verlockenden Warenangebot noch zu den unerhörten Neuerungen eines modernen Einkaufserlebnisses zählte.